Blick von oben auf eine Postersession bei einer Tagung

Forschung in der Sprechwissenschaft und Phonetik Jena

Blick von oben auf eine Postersession bei einer Tagung
Foto: Maik Schuck

Wortwolke

Foto: Fachbereich Sprechwissenschaft

Was verrät unsere Stimme über soziale Identitäten? Am Fachbereich für Sprechwissenschaft und Phonetik in Jena untersuchen wir gesprochene Sprache systematisch und interdisziplinär – mit einem besonderen Fokus auf die soziale Dimension sprachlicher Variation. Im Zentrum unserer Forschung steht das Zusammenspiel von Stimme, Geschlecht und gesellschaftlicher Rolle aber auch biologischen Faktoren.

Unsere Projekte verbinden phonetische, sprechwissenschaftliche und soziolinguistische Perspektiven, etwa wenn wir erforschen, wie hormonelle Einflüsse, Berufskontexte oder kulturelle Normen stimmliche Ausdrucksweisen prägen. Wir fragen etwa: Klingen Stimmen in hormonellen Umbruchphasen anders? Wie beeinflussen Geschlechterrollen oder berufliche Kontexte stimmliche Merkmale? Welche sprachlichen Erwartungen bestehen an maskuline und feminine Stimmen – und wie werden sie erfüllt oder unterlaufen?

In einem interdisziplinären Zugriff nutzen wir akustische, artikulatorische und perzeptive Analyseverfahren, um sprachliche Variation empirisch zu erfassen. Die JeCoP-Datenbank bildet dabei die technische und methodische Grundlage vieler Studien. Mit diesem besonderen Profil hat sich die Jenaer Phonetik als eine zentrale Stimme der deutschsprachigen Soziophonetik etabliert – und zeigt, wie Sprache soziale Wirklichkeit nicht nur beschreibt, sondern mitgestaltet.

Forschungsprojekte zu Gender und Geschlecht

  • Sprache im sozialen Kontext

    Frau spricht vor Menschen. Ihre Stimme formt die Kontexte der Personen.

    Foto: openAI

    Wer spricht wie, wann und warum?

    Im Rahmen der Heisenberg Professur widmet sich dieses Forschungsprojekt der Interpretation sprachlicher Variabilität mit dem Ziel, das Zusammenspiel biologischer und sozialer Faktoren zu analysieren. Hierbei beleuchten wir sprecherinterne Faktoren (Anatomie und Physiologie, regionale und soziale Identität, Hormone, Partnerwahl, Kommunikationsziel/Wirkung) und sprecherexterne Parameter (berufliches Umfeld, Zeit, Gesellschaft, Kultur/Sprache, Situation, Gesprächspartner).

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  • Hormone und Stimme

    Schallwellen und Moleküle

    Foto: openAI

    Klingen Hormone mit?

    In diesem Forschungsprojekt betrachten wir den Einfluss von Hormonen auf sprachliche Variabilität. Erkennt man das Testosteronlevel an der Stimme? Klingen Frauen in der fruchtbaren Phase ihres Zyklus anders? Haben Hormonwerte einen Einfluss darauf, wie Stimmen wahrgenommen werden?

    Zur Untersuchung dieser und ähnlicher Fragestellungen haben wir ein Korpus erstellt mit Sprach-, Hormon- und Metadaten von 30 Männern und 80 Frauen. Der Hormongehalt im Speichel wurde gemessen und in Beziehung zu stimmlichen Parametern wie der mittleren Sprechstimmlage oder der Stimmqualität gesetzt.

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  • Berufe und Stimme

    Figuren mit typischer Berufskleidung

    Foto: adobeStock

    Sprache und Beruf: Wie beeinflusst unser Umfeld, wie wir sprechen?

    In diesem Projekt untersuchen wir, ob das berufliche Umfeld unsere Sprechweise prägt. Dafür wurden Sprachaufnahmen von Personen aus geschlechtertypischen Berufen, etwa aus Kindergärten und Bundeswehrkasernen, sowie von Führungskräften analysiert. Erfasst wurden sowohl Lesesprache als auch spontane Dialoge im Kolleg*innenkreis.

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  • Kinderstimmen und Geschlecht

    Blick in ein Zimmer. Eine Seite hellblau - die andere rosa

    Foto: Adobe Stock

    Hört man das Geschlecht bei Kindern?

    Obwohl sich Mädchen- und Jungenstimmen anatomisch und physiologisch kaum voneinander unterscheiden, erkennen Erwachsene relativ treffsicher das Geschlecht der Kinder. In einer Langzeitstudie erforschen wir, welche akustischen und perzeptuellen Merkmale dabei eine Rolle spielen und wie sich Geschlecht und Geschlechtskonformität in Kinderstimmen über die Grundschulzeit entwickeln.

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  • Geschlechtsrepräsentationen im Radio

    Ein altes Radio auf einer Anrichte

    Foto: pixabay

    Reproduzieren Werbestimmen Geschlechterstereotype?

    Da Werbung davon abhängig ist, in möglichst kurzer Zeit sowohl Aufmerksamkeit als auch Zustimmung zu generieren, greift sie häufig auf vereinfachte und leicht rezipierbare Darstellungen zurück. Die Frage ist jedoch, inwiefern diese Stereotype wirklich Ist-Zustände der Realität abbilden oder nur veraltete Vorannahmen nutzen und reproduzieren. Das Projekt beschäftigt sich daher mit dem wandelnden Geschlechterrollenbild und der aktuellen Diskussion der Diversität des Geschlechterbegriffs im Werbekontext.

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  • Elternrolle und Geschlecht

    Vater und Baby schauen ein Buch an

    Foto: Anne Siepchen

    Unterscheidet sich die Sprechweise zwischen Müttern und Vätern mit ihren Kindern?

    Das Projekt untersucht den Zusammenhang zwischen geschlechtsspezifischer Sprache und geschlechtsspezifischen Rollen (hier: Elternrolle). Dabei wird die kind-gerichtete Sprechweise deutscher und schwedischer Mütter und Väter untersucht, als auch der mögliche Einfluss der Elternrolle auf erwachsenen-gerichtete Sprache. 

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  • Artikulation und Geschlecht

    Probandin bei artikularischer Sprachaufnahme

    Foto: Lehrstuhl für Sprechwissenschaft und Phonetik

    Unterscheidet sich die Stimme von Männern und Frauen nur wegen ihrer Anatomie? 

    Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Sprechweise sind seit vielen Jahren bekannt. Studien der letzten 50 Jahre haben gezeigt, dass es eine Vielzahl akustischer und temporaler Unterschiede in der Sprechweise zwischen Männern und Frauen gibt. Inwiefern diese allein durch anatomische und biophysikalische Unterschiede wie Vokaltraktgröße oder Stimmlippenlänge erklärt werden können oder aber eine soziale Komponente haben und auf gelerntes Verhalten zurückgehen, ist oft unklar.

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  • Ethnizität und Geschlecht

    Hände bilden einen Kreis

    Foto: pixabay

    Wie formen Sprache, Stimme und Aussehen unseren Eindruck von anderen?

    Dieses Projekt untersucht, wie wir Personen aufgrund von Stimme, Akzent oder anderen Merkmalen sozial einordnen. Welche Rolle spielen dabei Geschlecht, Ethnizität und sexuelle Orientierung? Mit realitätsnahen Stimuli, EEG-Messungen und interdisziplinären Methoden aus Psychologie und Phonetik analysieren wir, wie Erwartungen gebildet, verletzt, angepasst werden und was das über soziale Wahrnehmung verrät. 

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Ausgewählte Studien aus der Sprechwissenschaft zu Gender und Geschlecht

  • Berufe und Persönlichkeit

    Soldaten und Pädagoge

    Foto: canva

    Klingt eine Stimme freundlicher, nur weil sie angeblich von einem Erzieher statt von einem Soldaten stammt? Und sprechen Männer mit hoher Selbstzuschreibung von Femininität wirklich anders? Eine neue Studie beleuchtet, wie Berufsbilder, Genderausdruck und Stimme unser Urteil über andere prägen – und überrascht mit altersabhängigen Effekten.

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  • Warum nuscheln Männer?

    MRT Bild Mann und Frau

    Foto: aus Weirich et al. 2016, JSLHR

    Liegt das an sozialen Faktoren oder auch an der Anatomie?

    Undeutliche Sprechweise oder "nuscheln" ist ein typisches Merkmal einer männlichen Sprechweise und kann die Folge einer geringen Kieferöffnung sein. Während auf der einen Seite verhaltensbezogene Gründe zur Erklärung geschlechterspezifischer Unterschiede bzgl. einer deutlichen Sprechweise herangezogen wurden, untersuchte diese Studie anatomische Gegebenheiten zur Erklärung einer geringeren Kieferöffnung bei Männern.

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  • Sprechtempowahrnehmung zwischen Männer und Frauen

    Stoppuhr mit Megafon

    Foto: adobeStock

    Wer spricht schneller? Männer oder Frauen?

    Obwohl die Antwort auf diese Frage meist mit FRAUEN! beantwortet wird, zeigen empirische Studien das Gegenteil: In verschiedensten Sprachen wurden kürzere Lautdauern und schnellere Sprechgeschwindigkeiten bei MÄNNERN gefunden.

    Eine mögliche Ursache für die weitverbreitete Meinung der schneller sprechenden Frau könnte der Einfluss der Größe des abgesteckten akustischen Raumes innerhalb einer Äußerung auf das wahrgenommene Tempo sein. Frauen sprechen nicht schneller als Männer - sie klingen nur so!

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  • Ein kleiner artikulatorischer Raum - ein großer akustischer Raum

    Akustischer und artikulatorischer Vokalraum bei Männern und Frauen

    Foto: Melanie Weirich

    Warum wirken manche Sprecher:innen schneller oder undeutlicher als andere? Eine neue Studie zeigt: Männer zeigen häufiger „Undershoot“ – sie artikulieren Laute weniger vollständig. Das kann Sprache schneller, aber auch weniger klar wirken lassen. Wie unser Artikulationsstil die Sprachwahrnehmung beeinflusst – und was das mit dem Geschlecht zu tun hat.

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  • "Eltern sein", Geschlechterrolle und Sprache in Deutschland und Schweden

    Selbstzugeschriebene Femininität von Frauen und Männern in Deutschland und Schweden

    Foto: Melanie Weirich

    Wie beeinflussen Geschlechterrollen, individuelle Geschlechtsidentität und elterliche Verantwortung unsere alltägliche Sprachweise? Studien aus unserem Fachbereich vergleichen deutsche und schwedische Sprecher:innen und zeigen, dass sprachliche Merkmale wie Stimmlage und Artikulation nicht nur biologisch, sondern auch stark durch kulturelle Normen, Selbstwahrnehmung und soziale Rollen geprägt sind.

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  • Kind-gerichtete Sprache in Deutschland und Schweden

    Weihnachtsbaum mit Geschenken

    Illustration: Tu Anh Nguyen Thi

    Welche phonetischen Ausprägungen kind-gerichteter Sprache finden wir bei Müttern und Vätern in Deutschland und Schweden? Gibt es einen Einflusses der Einbindung in die Kinderbetreuung?

    Ob in Deutschland oder in Schweden: Eltern nutzen beim Sprechen mit ihren Babys eine höhere Stimmlage, mehr Tonhöhenvariation und deutlichere Vokale. Diese kind-gerichtete Sprache zeigt sich kulturübergreifend, unabhängig vom Geschlecht oder der Betreuungssituation der Eltern.

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  • Frauen haben einen großen Vokalraum und eine hohe Sprechstimmlage

    Vokalräume von drei Sprecherinnen

    Foto: aus Weirich & Simpson 2013, JASA

    Haben Frauen einen größeren akustischen Vokalraum, um für ihre höhere Sprechstimmlage zu kompensieren?

    Frauen haben einen größeren akustischen Vokalraum als Männer. Ihre höhere Sprechstimmlage macht Sprachsignale spektral ärmer, was sie durch deutlichere Vokale ausgleichen. Unsere Forschung untersucht, ob dieser Zusammenhang auch innerhalb einer Geschlechtergruppe besteht.

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Forschungsprojekte zu weiteren Themen 

  • Ejektive

    Sensoren des Elektroglottographen (1) und des Luftdruckmessgeräts (2)

    Foto: Sprechwissenschaft und Phonetik Jena

    Wie entstehen Ejektive – jene Konsonanten mit komplexen Artikulationsbewegungen, die in manchen Sprachen phonologisch verankert sind, in anderen aber nur am Rande auftreten? Dieses Dissertationsprojekt untersucht mithilfe modernster Verfahren wie Elektroglottographie, Luftdruckmessung und MRT, wie diese komplexen Laute im Georgischen und in weiteren Sprachen gebildet werden. Im Mittelpunkt stehen dabei artikulatorische Feinmechanismen, die bisher kaum erforscht sind.

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  • Labialisierung in deutsch-synchronisierten Filmen

    Sprecher blickt in die Kamera

    Foto: Fachbereich Sprechwissenschaft und Phonetik

    Wie sichtbar sind Vokale? Das Projekt „Labialisierung von Vokalen in deutsch-synchronisierten Filmen“ zeigt: Gerundete Vokale wie /yː/ oder /uː/ beeinflussen die Wahrnehmung der Lippensynchronität ebenso stark wie Konsonanten. Ein überraschender Befund, der etablierte Synchronroutinen infrage stellt – und neue Wege für die audiovisuelle Übersetzungsforschung eröffnet.

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  • Promotionen

    Doktorhut auf Büchern

    Foto: Adobe Stock

    An der Professur für Sprechwissenschaft und Phonetik der Universität Jena werden sehr vielseitige Promotionsprojekte realisiert - beispielsweise werden geschlechtsspezifische Sprachmerkmale, regionale Sprachvariationen oder der Einfluss der Stimme bei Lehrkräften untersucht. 

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  • Bachelor-Abschlussarbeiten

    Junge Menschen werfen Hüte in die Luft

    Foto: Adobe Stock

    Von der kindgerichteten Sprache bis zur Stimme nichtbinärer Personen, von Testosteron bis zur Tonhöhe in Film und Werbung – die Bachelorarbeiten am Fachbereich Sprechwissenschaft und Phonetik zeigen, wie vielfältig Stimme und Sprache soziale, biologische und kulturelle Aspekte spiegeln. Ob Gender, Emotion, Sprachkontakt oder Beratung: Die Arbeiten bieten spannende Einblicke in aktuelle Forschungsfragen rund ums Sprechen, Hören und Verstehen.

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JeCoP – Jena Corpora of Phonetics

Monitor mit Datensuchmaske

Foto: openAI

JeCoP ist eine passwortgeschützte, browserbasierte und durchsuchbare Datenbank, die Audioaufnahmen, orthografische und phonetische Transkriptionen sowie soziodemografische Metadaten der Sprecherinnen – etwa zu Geschlecht, Alter, Muttersprache oder Herkunft – bereitstellt. Sie basiert auf der LaBB-Cat-Infrastruktur (Fromont & Hay, 2012). Interessierten Wissenschaftlerinnen kann auf Anfrage Zugang zu den Daten und ausgewählten Teilkorpora gewährt werden.

JeCoP befindet sich im kontinuierlichen Ausbau und wurde im Rahmen der Heisenberg-Förderung von Prof. Melanie Weirich (WE 5757/3) initiiert. Die Datenbank umfasst Sprachmaterialien (Audioaufnahmen sowie orthografische und phonetische Annotationen) und Metadaten, die im Zuge verschiedener Forschungsprojekte des Instituts erhoben wurden, etwa zu: