24 – Sterbender Gallier
Abguss eines Sterbenden Galliers, Nr. 291
Foto: Walerija LatermannAbguss-Inventar Jena: Nr. 291
Erwerb: vor 1854, Geschenk des Großherzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar
Abguss nach: römische Marmorkopie // Rom, Kapitolinische Museen Inv.-Nr. 747 // Datierung: 2. Jh. n. Chr.
Ergänzungen: Nasenspitze, linke Kniescheibe und Zehen beider Füße
Fundort: Rom (Italien), im Areal der ehemaligen Gärten des Sallust; wahrscheinlich 1622 beim Bau der Villa Ludovisi
Original: Bronzestatue // Datierung: kurz nach 228 v. Chr. // heute verloren
Höhe: 0,93 m (mit Plinthe)
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Der etwas überlebensgroße nackte Kämpfer sinkt, durch eine Stichwunde unter der Brust tödlich getroffen, langsam zu Boden und stützt sich mit letzter Kraft auf den rechten Arm. Sein Kopf neigt sich zur Brust, mit schmerzverzerrtem Gesicht erwartet er den Tod. Auf dem Boden liegt die Ausrüstung des Kriegers, ein ovaler Schild, ein gebogenes, zerbrochenes Horn und ein kurzes Schwert; da jedoch größere Teile der Plinthe ergänzt wurden, sind Details für das Original nicht gesichert.
Die Deutung als einen verwundeten Kelten (Gallier, Galater) stützt sich auf keltische Eigenheiten wie den ovalen Schild und den gedrehten Halsring aus Metall, den Torques. Ferner sind auch Körperbau, Haartracht und Bartform keltisch, wie Diodoros in seiner Universalgeschichte des 1. Jhs. v. Chr. berichtet (Buch V 28, 1ff.):
"Die Gallier haben Körper von ansehnlichem Wuchs, guter Durchblutung der Muskeln und weißer Haut, ihr Haar aber ist blond und dies nicht nur von Natur aus [ ... ]. Sie waschen nämlich ihre Haare mit Kalkwasser und kämmen es dauernd von der Stirn zur Schädelkuppe und zu den Nacken hin zurück [ ... ], denn durch diese Behandlung werden ihre Haare dick und struppig und unterscheiden sich in nichts mehr von einer Pferdemähne. [ ... ] Was aber die Vornehmen anbelangt, so rasieren sie wohl ihre Wangen, lassen aber ihren Schnurrbart wachsen, bis er den Mund bedeckt."
Alle Einzelheiten dieser Beschreibung finden sich an der Statue des zu Boden gesunkenen, besiegten keltischen Edelmannes wieder. Das hellenistische Bronzeoriginal dieser römischen Marmorkopie stammt aus Pergamon (heutige Türkei), dessen Herrscherdynastie der Attaliden sich in der Mitte des 3. Jhs. v. Chr. etablierte. Philetairos, der Statthalter von Pergamon, nutzte geschickt ein Machtvakuum in Kleinasien, das durch die Wirren der Kämpfe um das Erbe des Alexanderreiches (sog. Diadochenkriege) entstanden war. Er erlangte die Selbstständigkeit und wurde so zum Begründer einer eigenen Dynastie. Pergamon entwickelte sich in der Folgezeit zu einem wichtigen politischen wie kulturellen Zentrum der mediterranen Welt.
Unter Attalos I. (241–197 v. Chr.) kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Kelten, die 278 v. Chr. unter verheerenden Verwüstungen nach Kleinasien vorgestoßen waren und dort eine dauerhafte Gefahr darstellten. Attalos I. gelang es, die Kelten und ihre Verbündeten nach mehreren Schlachten im Jahr 228 v. Chr. entscheidend zu schlagen. Anlässlich dieser Siege stiftete der pergamenische König zahlreiche Weihgeschenke, die seine Kämpfe thematisierten.
Der Sterbende Gallier gehörte wohl ursprünglich zu einem Siegesmonument, das auf der pergamenischen Akropolis im Heiligtum der Stadtgöttin Athena Polias aufgestellt war. Bei Ausgrabungen fand man in dessen südlichen Bezirk Basisfragmente mit Inschrift, die Auskunft über die einzelnen Schlachten geben, sowie weitere Fundamentteile, die auf einen langgestreckten Unterbau des Monuments von mindestens 19 m Länge schließen lassen. Die Basisblöcke tragen außerdem Reste einer Künstlersignatur. Demnach dürfte der Schöpfer dieses Weihgeschenkes, das aufgrund der letzten Schlacht wohl in die Jahre nach 228 v. Chr. zu datieren ist, ein gewisser Epigonos gewesen sein, von dem Plinius der Ältere im 1. Jh. n. Chr. schreibt (Naturalis Historia 34, 88): "Epigonos […] ragt durch einen Trompetenbläser hervor." Eine Identifizierung dieses Werkes mit dem Sterbenden Gallier ist wahrscheinlich.
Plinius der Ältere berichtet an anderer Stelle weiter (Naturalis Historia 34, 84): "Mehrere Künstler haben die Kämpfe des Attolas und Eumenes gegen die Gallier dargestellt: Epigonos [...], Phyromachos, Stratonikos und Antigonos." Vielleicht kann man in Epigonos einen 'Hofbildhauer' der attalischen Dynastie erkennen, dessen Hauptschaffensperiode in die Regierungszeit Attalos I. fällt. Der Sterbende Gallier war wohl das bekannteste Werk dieses Künstlers, da es in der Folgezeit in der pergamenischen Kunst zitiert und in der Römischen Kaiserzeit, wahrscheinlich im 2. Jh. n. Chr., kopiert wurde.