12/13 – Tyrannenmörder-Gruppe

Standort: Campus Ernst-Abbe-Platz / Carl-Zeiss-Straße 2–3 / Foyer Mitte

Abgüsse der Tyrannenmörder, Nr. 87 und 88

Foto: Walerija Latermann

Abguss-Inventar Jena: Nr. 88 (Aristogeiton) // Nr. 87 (Harmodios)

Erwerb: zwischen 1854 und 1899 aus Mitteln der Akademischen Rosenvorlesungen

Abguss nach: römische Marmorkopien // Neapel, Museo Nazionale Inv.-Nr. 6009 (Harmodios); Inv.-Nr 6010 (Körper des Aristogeiton) // Rom, Palazzo dei Conservatori, Inv.-Nr. 2404 (Kopf des Aristogeiton) // Datierung: Mitte des 2 .Jhs. n. Chr. (Neapler Gruppe); 50–30 v. Chr. (Kopf Rom)

Erhaltungszustand: dem Neapler Aristogeiton fehlt der Kopf, daher Verwendung des Kopfes aus Rom; ergänzt sind der rechte Arm, die linke Hand sowie einige Zehen an beiden Füßen; beim Harmodios sind der linke Unterschenkel und Fuß sowie das gesamte rechte Bein, beide Arme und die Plinthe ergänzt

Original: Bronzegruppe des Kritios und des Nesiotes / Datierung: 477/476 v. Chr. // heute verloren

Höhe: jeweils 1,85 m

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Die sog. Tyrannenmörder-Gruppe geht auf eine historische Begebenheit zurück: die Ermordung des Tyrannen Hipparchos 514 v. Chr. durch Harmodios und Aristogeiton während der Großen Panathenäen in Athen. Darüber berichtet Thukydides, ein griechischer Historiker in der Zeit um 400 v. Chr. (Buch I, 20): 

"So meinen zum Beispiel die meisten Athener, Hipparchos sei von Harmodios und Aristogeiton als Tyrann erschlagen worden, und wissen nicht, dass Hippias als der älteste der Peisistratos-Söhne herrschte und Hipparchos und Thessalos seine Brüder waren, und dass Harmodios und Aristogeiton an jenem Tage, argwöhnisch, einer ihrer Mitwisser möchte sie im Augenblick dem Hippias verraten haben, diesen sein ließen, weil er gewarnt war, und dafür, um doch vor der Verhaftung noch eine Tat zu vollbringen, den Hipparchos suchten, der gerade am sog. Leokoreion den Panathenäenzug ordnete, und diesen erschlugen."

An einer anderen Stelle (Buch VI, 54–59) berichtet Thukydides ausführlicher von der Tat und nennt auch die Ursache für den Mordplan, nämlich die Beleidigung von Harmodios' Schwester, nachdem diese die Anträge des Hipparchos zurückgewiesen und stattdessen den Aristogeiton erhört hatte.

Pausanias, ein Reiseschriftsteller des 2. Jhs. n. Chr., berichtet von seinem Gang über die Agora (Buch I 8, 5): "Nicht weit davon [von den anderen Statuen beim Arestempel] stehen Harmodios und Aristogeiton, die Hipparchos ermordeten. Den Grund dafür, und wie sie die Tat vollbrachten, haben andere erzählt. Von den Standbildern sind die einen ein Werk des Kritios, die älteren machte Antenor. Nachdem Xerxes, als er Athen nach der Räumung der Stadt durch die Athener genommen hatte, auch diese Standbilder als Beute weggeführt hatte, schickte sie Antiochos später den Athenern zurück."

Pausanias sah also zwei Statuengruppen: die ältere, ein Bronzewerk des Antenor, und die jüngere Gruppe, eine Arbeit der Künstler Kritios und Nesiotes aus den Jahren 477/476 v. Chr., ebenso aus Bronze. Nach der Rückgabe wohl Anfang des 3. Jhs. v. Chr. waren beide Gruppen nebeneinander aufgestellt. Durch den Bericht des Pausanias ergibt sich ein Aufstellungsort auf der Athener Agora im Osten des Arestempels, in der Nähe des Panathenäenweges.

Wie Harmodios und Aristogeiton räumlich zueinander standen, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, doch besitzt die Jenaer Aufstellung eine große Wahrscheinlichkeit: Der ältere bärtige Aristogeiton steht Rücken an Rücken mit dem jüngeren Harmodios, im Grundriss V-förmig, um sich gegenseittg zu decken. Gestützt wird diese Aufstellungsrekonstruktion von mehreren Darstellungen in der Flächenkunst, also auf Reliefs, Münzen oder Vasenbildern so z. B. auf einer rotfigurigen Oinochoe (Weinkanne) in Boston, die die beiden Tyrannenmörder zeigt. Hier wird auch offenkundig, dass die neuzeitliche Ergänzung des rechten Armes von Harmodios nicht korrekt ist: er war ursprünglich weiter über den Kopf nach hinten geführt.

Nicht in die Statuengruppe aufgenommen war das Mordopfer Hipparchos. Nach gängiger Forschungsmeinung stellen die Rezeptionen die jüngere Gruppe dar, obwohl es auch vorstellbar ist, dass die jüngere der von den Persern gestohlenen älteren Gruppe nachgearbeitet worden war und daher sehr ähnlich aussah. Das Bruchstück einer Inschrift mit den Namen der beiden Tyrannenmörder, gefunden auf der Athener Agora nahe dem Panathenäenweg zwischen Ares-Altar und Odeion, lässt sich keiner der beiden Gruppen sicher zuordnen. Seit der Zeit ihrer Aufstellung wurde die Tyrannenmörder-Gruppe zum Symbol attischer demokratischer Freiheit.