008 – Nike von Samothrake
Abguss der Nike von Samothrake, Nr. 278
Foto: Walerija LatermannInv.-Nr. 278
Erwerb: 1899 aus Mitteln der Akademischen Rosenvorlesungen
Abguss nach: Marmorstatue // Paris, Louvre Inv.-Nr. 2369
Fundort: Samothrake (Griechenland), Kabirenheiligtum
Datierung: um 190 v. Chr.
Ergänzungen: linke Brust
Höhe: 2,45 m
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1863 fand der französische Ausgräber des Kabirenheiligtums auf der nordägäischen Insel Samothrake, Charles Frarncois Nöel Champoiseau, eine in über 100 Einzelteile zerbrochene Statue der Nike, der griechischen Siegesgöttin. Weitere Ausgrabungen brachten die Blöcke der Basis zutage, die sich zu dem Bug eines antiken Kriegsschiffes zusammenfügen ließen. Außerdem konnte man die ursprüngliche Aufstellung der Nike in einem Brunnenbecken rekonstruieren, das durch künstlich angeordnete Felsbrocken den Betrachtenden das Vorgebirge eines Hafens suggerieren sollte, in welchen das siegreiche Schiff einläuft.
Amerikanische Ausgräber entdeckten 1950 schließlich noch einen Handteller der Nike. Einige Fingerfragmente im Magazin des Kunsthistorischen Museums in Wien konnten der Statue ebenfalls zugewiesen werden. Nicht vorhanden sind hingegen der Kopf, die Arme und größere Gewandpartien; die linke Brust ist im Original in Gips nachmodelliert. Am Jenaer Abguss fehlen zwar die Flügel, allerdings wurden diese 1996 durch F. Drewello in Draht nachgearbeitet; ein größeres Stück des nach hinten wehenden Mantels fehlt dennoch.
Trotz der fehlenden Teile kann man die Haltung der Nike mit vorgestrecktem rechten Arm, der wahrscheinlich einen Siegeskranz oder eine Siegesbinde (Tänie) hielt, und einem leicht gebeugten linken Arm rekonstruieren. Der Kopf war leicht zur linken Seite gewandt. Die Berühmtheit dieser Nike-Figur gründet sich vor allem auf ihre starke Bewegtheit. Sie ist genau in dem Moment dargestellt, in dem sie zur Landung auf dem Bug des Schiffes ansetzt, um den Sieg zu verkünden. Das rechte Bein stemmt sich kraftvoll dem Schiffsrumpf entgegen, während das zurückgesetzte, leicht nach außen gedrehte linke Bein den Boden wohl kaum mit den Fußspitzen berührt hat. Der heftige Gegenwind presst das Untergewand fest gegen den Körper der Nike, sodass sich dieser unter dem zarten Stoff deutlich abzeichnet; der von den Schultern gerutschte Mantel weht zwischen den Beinen und an der rechten Flanke in unruhigen, tief zerfurchten Faltenbahnen nach hinten. Die ganze Figur drängt ungestüm vorwärts – am deutlichsten von schräg links sichtbar. Dagegen führt einem die Frontalansicht besonders den labilen Stand und das unruhige Zickzack des Gewandes vor Augen.
Die raumgreifende Bewegung, die Drehung des Körpers und nicht zuletzt ihre Inszenierung im Brunnenbecken hoch über dem Theater weisen die Nike von Samothrake als Werk des Hochhellenismus aus. Im allgemeinen hält man die gesamte Brunnenanlage für ein Siegesmal der Rhodier, das diese nach einem Seesieg – wahrscheinlich der Schacht bei Side und Myonessos gegen den Seleukidenkönig Antiochos III. von Syrien und dessen Verbündeten Hannibal 191/190 v. Chr. – in das Heiligtum der gerade die Seeleute beschützten Kabieren auf Samothrake stifteten.