Forschungsprojekt: Akustische und artikulatorische Aspekte des Geschlechts im Deutschen​

Gefördert durch die DFG (SI 743/6-1,2 Laufzeit: August 2011 - November 2014)

Probandin bei artikularischer Sprachaufnahme

Foto: Lehrstuhl für Sprechwissenschaft und Phonetik

Projektleitung Adrian P. Simpson in Zusammenarbeit mit Melanie Weirch

Studien der letzten 50 Jahre haben gezeigt, dass es eine Vielzahl akustischer und temporaler Unterschiede in der Sprechweise zwischen Männern und Frauen gibt. Inwiefern diese allein durch anatomische und biophysikalische Unterschiede wie Vokaltraktgröße oder Stimmlippenlänge erklärt werden können oder aber eine soziale Komponente haben und auf gelerntes Verhalten zurückgehen, ist oft unklar. Unterschiede in der Realisierung der Vokale im akustischen Raum (Vokalraum) oder systematische Unterschiede in männlichen und weiblichen Lautdauern sind nur zwei Beispiele. Anhand verschiedener artikulatorischer und akustischer Analysen und Hörexperimenten versucht dieses Projekt, die jeweiligen Einflüsse der beiden großen Faktoren gelernte Verhaltensweisen und biophysikalische Gegebenheiten auf geschlechtsspezifische phonetische Parameter herauszukristallisieren.

Studien und Ergebnisse

  • Warum nuscheln Männer?

    MRT Bild Mann und Frau

    Foto: aus Weirich et al. 2016, JSLHR

    Liegt das an sozialen Faktoren oder auch an der Anatomie?

    Undeutliche Sprechweise oder "nuscheln" ist ein typisches Merkmal einer männlichen Sprechweise und kann die Folge einer geringen Kieferöffnung sein. Während auf der einen Seite verhaltensbezogene Gründe zur Erklärung geschlechterspezifischer Unterschiede bzgl. einer deutlichen Sprechweise herangezogen wurden, untersuchte diese Studie anatomische Gegebenheiten zur Erklärung einer geringeren Kieferöffnung bei Männern.

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  • Sprechtempowahrnehmung zwischen Männer und Frauen

    Stoppuhr mit Megafon

    Foto: adobeStock

    Wer spricht schneller? Männer oder Frauen?

    Obwohl die Antwort auf diese Frage meist mit FRAUEN! beantwortet wird, zeigen empirische Studien das Gegenteil: In verschiedensten Sprachen wurden kürzere Lautdauern und schnellere Sprechgeschwindigkeiten bei MÄNNERN gefunden.

    Eine mögliche Ursache für die weitverbreitete Meinung der schneller sprechenden Frau könnte der Einfluss der Größe des abgesteckten akustischen Raumes innerhalb einer Äußerung auf das wahrgenommene Tempo sein. Frauen sprechen nicht schneller als Männer - sie klingen nur so!

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  • Ein kleiner artikulatorischer Raum - ein großer akustischer Raum

    Akustischer und artikulatorischer Vokalraum bei Männern und Frauen

    Foto: Melanie Weirich

    Warum wirken manche Sprecher:innen schneller oder undeutlicher als andere? Eine neue Studie zeigt: Männer zeigen häufiger „Undershoot“ – sie artikulieren Laute weniger vollständig. Das kann Sprache schneller, aber auch weniger klar wirken lassen. Wie unser Artikulationsstil die Sprachwahrnehmung beeinflusst – und was das mit dem Geschlecht zu tun hat.

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  • Frauen haben einen großen Vokalraum und eine hohe Sprechstimmlage

    Vokalräume von drei Sprecherinnen

    Foto: aus Weirich & Simpson 2013, JASA

    Haben Frauen einen größeren akustischen Vokalraum, um für ihre höhere Sprechstimmlage zu kompensieren?

    Frauen haben einen größeren akustischen Vokalraum als Männer. Ihre höhere Sprechstimmlage macht Sprachsignale spektral ärmer, was sie durch deutlichere Vokale ausgleichen. Unsere Forschung untersucht, ob dieser Zusammenhang auch innerhalb einer Geschlechtergruppe besteht.

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Publikationen:

  • Weirich, M. & Simpson, A. (2018) Individual differences in acoustic and articulatory undershoot in a German diphthong - variation between male and female speakers. Journal of Phonetics 71, 35-50. link zum ArtikelExterner Link
  • Weirich, M., Fuchs, S., Simpson, A., Winkler, R. & Perrier, P. (2016) Mumbling: macho or morphology? Journal of Speech, Language and Hearing Research.link zum ArtikelExterner Link
  • Weirich, M. & Simpson, A.P. (2015) Impact and interaction of accent realization and speaker's sex on vowel length in German. In: A. Leemann, M.-J. Kolly, S. Schmid & V. Dellwo (eds.), Trends in Phonetics and Phonology in German speaking Europe. Frankfurt/M.: Peter Lang.link zum BuchExterner Link
  • Weirich, M. & Simpson, A.P. (2014) Articulatory vowel spaces of male and female speakers. Proceedings of the 10th Intern. Seminar on Speech Production (ISSP), Cologne, 453-456.link zum ArtikelExterner Link
  • Weirich, M., Simpson, A.P., Fuchs, S., Winkler, R. & Perrier, P. (2014) Mumbling is morphology? Proceedings of the 10th Intern. Seminar on Speech Production (ISSP), Cologne, 457-460.link zum ArtikelExterner Link
  • Weirich, M. & Simpson, A. (2014) Differences in acoustic vowel space and the perception of speech tempo. Journal of Phonetics 43.1-10. [linkExterner Link]
  • Weirich, M. & Simpson, A. (2013) Investigating the relationship between average speaker fundamental frequency and acoustic vowel space size. Journal of the Acoustical Society of America 134 (4), 2965-2974. [link]Externer Link
  • Weirich, M. & Simpson, A. (2013) Acoustic vowel space size and perceived speech tempo. Proceedings of Meetings on Acoustics (POMA). [pdfExterner Link]
  • Weirich, M. & Simpson (2012). Perceived speech tempo and vowel space size, P&P8, FSU Jena. [pdfExterner Link]
  • Weirich, M. & Simpson (2012). Listening tongues, Weirich, M. & Simpson, A. P&P8, FSU Jena. [pdfExterner Link]
  • Simpson, A. P. (2012). The first and second harmonics should not be used to measure breathiness in male and female voices. Journal of Phonetics 40, 477-490.
  • Simpson, A. P. (2011). Is there a relationship between acoustic vowel space size and fundamental frequency? Proceedings of XVIIth ICPhS, pp. 1854-1857, Hong Kong.