
Trotz kontinuierlicher politischer Umbrüche besitzt die MENA-Region erhebliche Potenziale in Bereichen wie Klima, Energie und Wirtschaft und spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der globalen Arbeitsmigration und im wirtschaftlichen Austausch mit der Europäischen Union, getragen von einer jungen, immer gebildeteren Bevölkerung. Diese Verbindung zwischen den beiden Nachbarregionen fördert die Nachfrage nach Fachkräften mit Kenntnissen in interkultureller Kommunikation, basierend auf einem gegenseitigen Verständnis der jeweiligen Kulturen, Gesellschaften und Geschichten.
Lange wurde die Ausbildung in interkultureller Kommunikation von einem kulturkontrastiven Ansatz dominiert, der Kulturen als distinkte, in sich geschlossene Einheiten ansieht und die Bedeutung des Verständnisses spezifischer kultureller Unterschiede hervorhebt. Diese Perspektive wird nun zunehmend von einem prozessorientierten Ansatz abgelöst, der die Dynamiken der Interaktion über die bloße Betonung kultureller Differenzen stellt und die interkulturelle Kommunikation als einen laufenden Verhandlungsprozess begreift. Parallel dazu fordert eine wachsende Anerkennung postkolonialer Realitäten und die Notwendigkeit, nicht-westliche Perspektiven einzubeziehen, die kritische Überprüfung westlicher Dominanz in der Forschung und Lehre, indem sie für eine inklusivere Wissensproduktion plädiert, die auf echter interkultureller Methodologie basiert.
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Université de Tunis El Manar versuchen seit einigen Jahren, dem Bedarf an Kompetenzen in Fremdsprachen und interkultureller Kommunikation mit Studiengängen im Bereich Wirtschaft und Sprachen gerecht zu werden. Im Rahmen des gemeinsamen, vom DAAD geförderten Projekts JISR – Joint initiative for the development of intercultural studies and research wird nun eine nachhaltige Partnerschaft für den Wissenstransfer im Bereich der interkulturellen Kommunikation aufgebaut. Dabei sollen zugleich die Wirtschafts- und Sprachprogramme der Partnerinstitutionen gestärkt werden.
Studierende beider Universitäten haben die Möglichkeit, zur Weiterentwicklung der Lehre in interkultureller Kommunikation und Landeskunde beizutragen, indem sie sich mit vier zentralen Fragen auseinandersetzen:
- Welches sind auf beiden Seiten die zentralen Probleme der Landeskunde und der interkulturellen Kommunikation?
- Wie kann im gegenseitigen Austausch die Reflexion über Kultur- und Landeskunde aus postkolonialer Perspektive angeregt werden?
- Wie kann man praktische Elemente in die universitäre Vermittlung interkultureller Kompetenzen integrieren?
- Was ist erforderlich, um die Studierenden auf die Erfordernisse eines globalisierten Arbeitsmarktes vorzubereiten?
Interkulturelles Projekt mit Exkursion nach Tunis
Im Rahmen von JISR bieten wir ein interkulturelles Projekt mit Exkursion nach Tunis an. Bewerben können sich Studierende im BA (ab 3. Semester) und MA der Fächer Arabistik, DaF/DaZ, IWK/IPK, Wirtschaft und Sprachen, Romanistik. Alle Kosten für Reise und Unterkunft werden übernommen. Die Ausschreibung finden Sie hierpdf, 102 kb. Bewerbungsfrist: 26.09.2025
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Online Kick-off meeting
Das Projekt beginnt mit einem online Kick-off-Workshop am 18. und 22. Oktober. Hier treffen sich alle deutschen und tunesischen Teilnehmenden.
Es beginnt mit einer Sitzung in einem virtuellen Escape Room. Diese spannende Aktivität fördert die Teamarbeit und regt zu konstruktiver Interaktion mit interkulturellen Herausforderungen an, wodurch die Teilnehmenden interkulturelle Kompetenz aufbauen, Begeisterung für die weitere Zusammenarbeit entwickeln und ihre akademischen Interessen vertiefen können. Während der gesamten Sitzung werden regelmäßige Reflexionen und prägnante theoretische Inputs den Teilnehmenden helfen, ihr Verhalten zu verstehen und ihre interkulturellen Fähigkeiten zu verbessern. Gemischte Teams fördern Erfahrungen aus erster Hand in interkultureller Kommunikation, sodass die Teilnehmenden sich kennenlernen.
Der zweite Teil des Kick-off-Workshops besteht aus Vorträgen zu interkultureller Kommunikation und Postkolonialismus sowie dem Austausch von Erfahrungen und Perspektiven zur Praxis und Lehre interkultureller Kommunikation und zur Darstellung von Gesellschaften und Kulturen im Kontext regionaler Studien.
Ein Ziel des Kick-off-Workshops ist es, gemeinsam Leitfragen und Ziele für den Präsenzworkshop festzulegen und die Grundlage für die Zusammenarbeit während der Exkursion in Tunis zu legen.
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Gastdozierende der Universität Tunis El Manar lehren in Jena
Lehraufenthalte für Dozierende der Universität Tunis El Manar an der Universität Jena fördern die Zusammenarbeit zwischen den Partnern bei der Entwicklung der Lehre in den Bereichen Landeskunde und interkulturelle Kommunikation. Vom 3. bis 11. November kommen nach Jena:
- Dr. Anis Ben Amor (Europäische Ethnologie / Afrikastudien – Literatur- und Kulturwissenschaften – DaF)
- Dr. Zahida Marouani (Deutsche Sprachwissenschaft)
- Dr. Dorsaf Nehdi (Religionsgeschichte, Jüdische Studien)
Sie werden Kurse zu interkultureller Kommunikation, tunesischer Geschichte und Kultur sowie tunesischem Arabisch unterrichten. Team-Teaching-Sitzungen und ein Workshop mit Kolleg:innen der beteiligten Institute der Friedrich-Schiller-Universität Jena ermöglichen einen Austausch über die Weiterentwicklung der Lehrmethoden an beiden Universitäten.
Die von den Gastdozierenden angebotenen Veranstaltungen stehen allen Studierenden der Universität Jena offen. So können sich auch Studierende am Projekt beteiligen, die nicht an der Studienreise teilnehmen. Die Mobilitätsmaßnahmen bieten den Dozierenden die einzigartige Gelegenheit, innovative Lehrmethoden in einem interkulturellen Projekt zu entwickeln und zu erproben. Die Studierenden erhalten die Chance, interkulturelle Kenntnisse und Kommunikationsfähigkeiten zu erwerben, die für ihre berufliche Laufbahn von Bedeutung sind.
Im einem abschließenden Online-Workshop im Dezember 2025 werden alle teilnehmenden Dozierenden die gesammelten Erfahrungen und Ergebnisse auswerten. Was sich bewährt hat, wird zukünftig in die Lehre von Regionalstudien und interkultureller Kommunikation an beiden Partneruniversitäten einfließen. Die Arbeitsergebnisse können außerdem die Grundlage für Verbesserungen und Reformen der jeweiligen Studienprogramme an beiden Universitäten bieten.
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Exkursion nach Tunis
Im November 2025 machen 10 Studierende und 4 Dozierende der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine Exkursion zur Université de Tunis El Manar. Programmpunkte sind:
Interkultureller Workshop
Gemeinsamer dreitägigen Workshop mit Kommiliton:innen der Universität Tunis El Manar, geleitet von Dozierenden beider Partneruniversitäten sowie Mitgliedern von MECAM. Während des Workshops reflektieren die Studierenden über Praxis und Lehre der interkulturellen Kommunikation sowie über die Darstellung von Gesellschaften und Kulturen im Kontext der Regionalstudien. Ihre Diskussionen werden von den oben skizzierten Kernfragen sowie zusätzlichen Fragen geleitet, die während des Online-Auftakttreffens formuliert wurden. Der Workshop soll die Studierenden ermutigen, aktiv an der Weiterentwicklung ihres Studienprogramms mitzuarbeiten.
Die Studierenden werden aufgefordert, sich interkulturell mit Fragen der Theorie, Lehre und Erkenntnistheorie auseinanderzusetzen. So baut der Workshop auf den problemorientierten Erfahrungen auf, die im Rahmen des interkulturellen Escape Rooms während des Kick-Off-Seminars gemacht wurden.
Kulturprogramm
Kulturprogramm und Mini-Sprachkurs Tunesisch-Arabisch, organisiert von der Universität Tunis El Manar. Hier können die Studierenden ihr kulturelles Verständnis und ihre Sprachkenntnisse direkt im tunesischen Kontext vertiefen.
Internationale Zusammenarbeit
Besuche bei Organisationen wie der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), der AHK (Deutsch-Tunesische Industrie- und Handelskammer) und der IRZ (Stiftung für internationale Rechtszusammenarbeit) in Tunis. Die Studierenden erhalten Einblick in die Arbeit dieser international tätigen Organisationen. Es besteht die Möglichkeit, Partnerschaften zu knüpfen und konkrete Maßnahmen zur Einrichtung wiederkehrender Praktikums- und Forschungsmöglichkeiten für Studierende zu initiieren.
Merian Centre for Advanced Studies in the Maghreb (MECAM)
Studierende beider Universitäten verbringen einen Tag im Merian Centre for Advanced Studies in the Maghreb (MECAM), einem Forschungszentrum für interdisziplinäre Forschung und akademischen Austausch mit Sitz in Tunis, das die Internationalisierung der Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften im gesamten Mittelmeerraum fördert. Mit Stipendiaten des MECAM werden die Studierenden über die Zukunft der Regionalstudien diskutieren, insbesondere im Kontext postkolonialer und dekolonialer Theorien. Dies bietet den Studierenden einen Einblick in die Geschichte ihres Fachs, aktuelle Debatten über Theorien und Relevanz sowie die derzeitigen Paradigmenwechsel und deren Auswirkungen auf die Praxis, Lehre und Erkenntnistheorie der Regionalstudien.
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Online Follow-up Meeting
Im Dezember 2025 tauschen sich die Studierenden über ihre interkulturellen Erfahrungen aus und reflektieren die Ergebnisse des Präsenzworkshops. Aufbauend auf den Ergebnissen des Workshops formulieren sie konkrete Ideen für die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Sprachstudiengänge, um so eine Reform dieser Studiengänge anzustoßen.
Unabhängig davon durchlaufen die teilnehmenden Dozierenden denselben Reflexionsprozess, und formulieren um ihre Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung der Studiengänge. Vertreter:innen des Dekanats der Philosophischen Fakultät der Universität Jena werden zu dem Treffen eingeladen, um bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Änderungen in den jeweiligen Wirtschafts- und Sprachstudiengängen beratend zur Seite zu stehen.
