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Mit Lutz Niethammer ist ein bedeutender Historiker verstorben, der die deutsche Zeitgeschichtsforschung im Allgemeinen und die Geschichtswissenschaft in Jena im Besonderen maßgeblich geprägt hat.
Er brachte die Oral History als erfahrungsgeschichtlichen Zugang zur jüngeren Vergangenheit nach Deutschland und prägte diese Methodik nachhaltig. Bereits 1987 durfte er mit seinem Team lebensgeschichtliche Interviews in der DDR führen, was damals nur mit einer Sondergenehmigung Erich Honeckers möglich war.
1993 nahm er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena an und prägte das Historische Institut in einer Zeit des Umbruchs maßgeblich. Bis heute ist Jena ein Ort, an dem Erfahrungsgeschichte in seinem Sinne betrieben wird. Zudem beschäftigte er sich intensiv mit dem historischen Erbe der NS-Herrschaft und der DDR in Jena und Thüringen, etwa durch Forschungen zum Konzentrationslager Buchenwald, zum Sowjetischen Speziallager Nr. 2 oder zur Rolle von Jenapharm im DDR-Dopingsystem. Dabei war ihm früh bewusst, dass eine Unterrepräsentation von Ostdeutschen in universitären Leitungsfunktionen unangebracht und nicht integrationsfördernd ist. Deshalb achtete er stets darauf, dass möglichst viele seiner Mitarbeitenden aus dem Osten stammten. Seine Überzeugung war, dass es nicht allein westdeutsche Historiker und Historikerinnen sein können, die die DDR-Geschichte aufarbeiten und den Ostdeutschen ihre Vergangenheit erklären.
Lutz Niethammer wird uns fehlen. Er hinterlässt ein bedeutendes Erbe, das die Jenaer Geschichtswissenschaft weiterhin prägen wird.
Jörg Ganzenmüller (Institutsdirektor)