Teile der Universität Charkiw sind verwüstet.

Studieren im Ausnahmezustand

Kontinuierliche Hilfe: Die Friedrich-Schiller-Universität unterstützt ukrainische Studierende mit Hilfe des DAAD
Teile der Universität Charkiw sind verwüstet.
Foto: Universität Charkiw

Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien
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Seit Februar 2022 tobt der Krieg in der Ukraine, jede Normalität ist dem permanenten Ausnahmezustand gewichen. Können junge Menschen in der Ukraine unter diesen Bedingungen studieren? Ja! Sie können und sie wollen, sagen Prof. Dr. Ruprecht von Waldenfels und Prof. Dr. Joachim von Puttkamer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die beiden Wissenschaftler – der Slawist von Waldenfels und der Osteuropahistoriker von Puttkamer – haben Mittel und Wege gefunden, ukrainischen Studierenden ideelle und finanzielle Hilfe zukommen zu lassen. Gemeinsam wurde das Netzwerk Ukrainistik aus der Taufe gehoben, das beim Aleksander-Brückner-Zentrum für Polenstudien angesiedelt ist (https://www.ukr.uni-jena.de/ en). Dank der finanziellen Unterstützung durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) wird ukrainischen Studierenden Online-Unterricht ermöglicht. Außerdem werden zahlreiche Stipendien vergeben, die das (Über-)Leben in der Ukraine sichern.  

Universitäre Infrastruktur ist Angriffen ausgesetzt   

Primäres Ziel der Bemühungen ist es, den ukrainischen Studierenden zu ermöglichen, ihr Studium weiterzuführen“, sagt Ruprecht von Waldenfels. Bereits im Vorjahr seien dafür 110.000 Euro vom DAAD zur Verfügung gestellt worden, in diesem Jahr sind es 150.000 Euro. Der Großteil des Geldes werde für Stipendien verwendet, so von Waldenfels. „Gut 200 Euro im Monat sichern den Studierenden das Überleben in der Ukraine.“ Wegen des Krieges sei vielerorts der Lehrbetrieb nur eingeschränkt möglich, auch weil die Infrastruktur immer wieder Ziel von Angriffen werde. Zudem seien Gebäude beschädigt, einige Universitäten mussten ihren Standort wechseln. Dennoch werde der Lehrbetrieb fortgeführt, so Prof. von Waldenfels. Ebenso die Forschung. So gibt es ein Kooperationsprojekt mit der Universität Kiew, in dem gemeinsam die Dialekte des Ukrainischen erforscht werden. Unterstützt wird die Arbeit von einer Computerlinguistin aus Charkiw, die mit ihrer Doktorandin nach Jena geflohen ist.  

Es gehe nicht darum, eigene Formate neu zu erfinden, sagt Joachim von Puttkamer. Vielmehr gebe es bereits eine trilaterale Kooperation mit der Central European University (CEU) in Budapest, der Universität in Lwiw (Lemberg) und Jena. Es werden Online-Vorlesungen in verschiedenen Fächern angeboten, darunter Geschichte, Soziologie, Politik- und Rechtswissenschaften. Gelehrt wird auf Englisch oder Ukrainisch. De facto werde den ukrainischen Studierenden so ein Fernstudium geboten, sagt Ruprecht von Waldenfels. Dabei wurde sichergestellt, dass die Prüfungsleistungen an den ukrainischen Universitäten anerkannt werden. Für die Kooperation des Imre Kertész Kollegs mit der Universität in Lwiw (Lemberg) und der CEU in Budapest stehen knapp 100.000 Euro vom DAAD zur Verfügung.     

Ein krisentherapeutisches Angebot mit langer Warteliste

Wie Prof. von Puttkamer erläutert, hat die CEU Anfang des Jahres in Budapest eine Winter School angeboten, zu der Studierende aus der Ukraine eingeladen waren. Wegen der Reisebeschränkungen für Männer seien es vorrangig Studentinnen gewesen, die nach Budapest kamen. Dabei sei für ihn sichtbar geworden, unter welchem Druck die Studierenden in der Ukraine stehen: „Wie soll man sich auf das Lernen konzentrieren, wenn ständig neue Angriffe gemeldet werden, wenn Angehörige in tödlicher Gefahr sind?“ Ein Teil der Hilfsgelder werde deshalb verwendet, ein krisentherapeutisches Angebot zu unterbreiten, per Telefonberatung. Die zehn Plätze seien rasch belegt gewesen, die Warteliste sei lang.

Kontakt:

Joachim von Puttkamer, Univ.-Prof. Dr.
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Prof. Dr. Joachim von Puttkamer
Foto: Imre Kertész Kolleg/Michal Korhel
Ruprecht von Waldenfels, Prof. Dr.
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