Digitale Lehre mit Videoformaten im Sekundarschulbereich

Sechs Fragen an: Digitalexpertin Ulrike Bußmann; Oberstudienrätin

Ulrike Bußmann
Ulrike Bußmann
Foto: Ulrike Bußmann

Ulrike Bußmann und ihre KollegInnen haben bereits vor der Covid-19-Pandemie den Einsatz von digitalen und videogestützten Lehr- und Lernformaten in allen Fächern an ihrem Gymnasium forciert. Freundlicherweise hat Sie uns sechs Fragen zum Thema beantwortet.

Information

Ulrike Bußmann ist Lehrerin für Englisch und Katholische Religionslehre am Gymnasium Veitshöchheim, Unterfranken.

Kontakt: u.bussmann@gymnasium-veitshoechheim.de
Webseite des Gymnasiums: https://www.gymnasium-veitshoechheim.de/startseite.htmlExterner Link

Sie ist außerdem:

  • Teamleiterin im Schulversuch „Digitale Schule 2020“ am Gymnasium Veitshöchheim, Stiftung Bildungspakt Bayern (https://bildungspakt-bayern.deExterner Link)
  • Mitglied im Kernteam des Referentennetzwerks an der Dienststelle der Ministerialbeauftragten von Unterfranken im Bereich digitale Bildung und Medienerziehung (https://ufr.bdb-gym.de/kernteam-des-referentennetzwerksExterner Link)
  • Leiterin von Fortbildungsveranstaltungen auf RLFB- und SchilF-Ebene zu medienpädagogischen und mediendidaktischen Themenstellungen, wie:
    • "Unterrichten im (normalen) Ausnahmezustand" – Zum didaktischen Einsatz von Videokonferenzsystemen
    • Der Einsatz von lernrelevanten Apps im modernen Fremdsprachunterricht
  • Dozentin der Hamburger Fernhochschule („HfH“), Campus Würzburg, in den Modulen Didaktik und Medienpädagogik

Interview

Liebe Frau Bußmann,

Sie sind seit mehreren Jahren auf dem Gebiet Digitalisierung, Lehren und Lernen sowie Videoformate im Sekundarschulbereich engagiert. Wir haben sechs Fragen zur Thematik an Sie.

Frage: Wie sieht eine typische (digitalisierte) Unterrichtsstunde bei Ihnen aus?

Ulrike Bußmann: Ich versuche in jeder Stunde wenigstens ein digitales Element didaktisch sinnvoll einzubetten. Je nach Klassenstufe handelt es sich um andere Elemente. Da an meiner Schule in jedem Klassenzimmer interaktive Displays zur Verfügung stehen, stellt dieses Display an sich ja bereits ein digitales Element dar. Besonders zur Schulschließungszeit in Corona hat es sich als sehr praktisch erwiesen, dass viele SchülerInnen schon erste Zugänge zum digitalen Arbeiten hatten. So steht an den Bayerischen Schulen allen SchülerInnen und LehrerInnen „mebis“ als Lernplattform zur Verfügung. Hierüber und durch individuell vom Lehrenden ausgewählte Tools und Anwendungen lässt sich eine didaktisch sinnvolle und methodisch durchdachte Unterrichtsstunde sehr gut durchführen.

Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Überlastung und ein „Abbrennen“ digitaler Elemente nicht förderlich sind. Hier gilt nicht die Quantität, sondern die Qualität ist entscheidend, und mit Qualität meine ich, die vom Pädagogen und der Pädagogin vorher bewusst ausgewählten digitalen Elemente. Weniger ist wirklich oft mehr. Ich selbst habe am Anfang bei der Erstellung meiner Stunden bemerkt, dass ich meinen Entwurf noch einmal komplett überworfen habe, wenn beispielsweise ein digitales Element das Lernziel überhaupt nicht oder wenig fördert, und am Ende nur um des digitalen Elements zuliebe, wichtige andere Inhalte verloren gingen.

Und, wenn Sie mir diese persönliche Einschätzung erlauben, ich denke auch, dass man gerade im digitalen Arbeiten und Lehren sich selbst gegenüber sehr tolerant sein muss. Oftmals war die Arbeit und waren alle Überlegungen einfach hinfällig, dann heißt es eben, neu aufsatteln und noch einmal von vorne anfangen. Ich empfinde gerade den kollegialen Austausch als sehr große Bereicherung, eine große Hilfe und Motivation – im Team geht eben wirklich so manches leichter. Perfektionistisch sollte man optimaler Weise im digitalen Bereich nicht allzu sehr veranlagt sein, denn allein die rasche Weiterentwicklung der digitalen Elemente fordert von uns PädagogInnen ja eine immer neue Lernbereitschaft und Optimierung. So nach dem Motto: endlich beherrsche ich das Tool – hier kommt aber bereits die neueste Version, oder ein ganz anderes Tool, welches sich noch besser didaktisch eignet.

Frage: Sie geben seit einiger Zeit Unterricht über Videokonferenzsysteme. Was gilt es hierbei besonders für die Aufrechterhaltung des Kontakts und der Aufmerksamkeit mit den Schülerinnen und Schülern zu beachten?

Ulrike Bußmann: Jeder Kollege und jede Kollegin wissen, wie schwer es sein kann, die SchülerInnen digital bei sich im Unterricht zu halten. Zuerst muss man nach dem Alter der SchülerInnen differenzieren. Bei der Unterstufe und der Mittelstufe empfiehlt sich ein ständiges Aktivieren. Dies kann durch gezieltes Aufrufen erfolgen, aber eben auch durch Aktivierung durch Umfragen oder durch auflockernde Elemente, wie eine in mebis eingebaute Learningapp, die vom Lernenden individuell bearbeitet wird. Auch gibt es durch Kollaborationstools mittlerweile die Möglichkeit, dass die SchülerInnen gleichzeitig synchron (denkbar auch asynchorn) an Dokumenten arbeiten können. Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie hervorragend auch die jüngeren SchülerInnen hier zusammenarbeiten und der Lernerfolg gesichert werden kann.

Selbstverständlich kann der Online-Unterricht den echten persönlichen Kontakt nicht ersetzen, das haben wir PädagogInnen nicht erst in den Zeiten der Schulschließungen bemerkt. Aber ein gemeinsamer allmorgendlicher Beginn im Videokonferenzsystem oder eine Abfrage durch ein Stimmungsbarometer online können sehr hilfreich dabei sein. Generell zeigte sich, dass besonders in der Oberstufe die SchülerInnen, die auch vor Corona selbständig und zielgerichtet gearbeitet hatten, häufig sehr gut mit der veränderten Lernsituation zurechtkamen. Es war aber auch wunderbar mitanzusehen, wie sich einige SchülerInnen zum Positiven in ihrem Schülerdasein geändert haben. Das digitale Arbeiten hat so manchen Experten und manche ExpertIn hervorgebracht, einige zeigten sich sogar noch aktiver im Online- als im Präsenzunterricht.

Frage: Setzen Sie auch selbstproduzierte oder bestehende Videoformate in Ihrem Unterricht bzw. an Ihrer Schule ein. Und wenn ja, welche sind das und in welchen Bereichen kommen diese zum Einsatz?

Ulrike Bußmann: Ja, diese setze ich auch ein. Generell gibt es an meiner Schule keine Beschränkung für das gewählte digitale Format. Apple User nutzen z.B. Vittle oder iMovie, auch die Vertonung durch Pages und Powerpoint. Micosoft User benutzen andere Systeme wie Screencast oder natürlich auch die Vertonung mit Powerpoint.

Zum Einsatz können diese Formate zu Stundenbeginn als Einstieg erfolgen (Was weiß ich noch / schon?) und auch zum Abschluss einer Stunde (Was habe ich gelernt? Zusammenfassung). Denkbar sind diese Formate natürlich auch im Flipped Classroom, gerade hier kann ein selbstproduziertes Video eingesetzt werden. In Zeiten der Schulschließung zeigte sich auch, dass selbst produzierte Erklärvideos (das Bild der Lehrkraft war weniger wichtig, aber die Stimme der eigenen Lehrkraft hat eine im positiven Fall sehr motivierende Auswirkung auf das Verstehen und Lernen), die die SchülerInnen z.B. über mebis abrufen konnten, sehr gut angenommen wurden. Langsamere Lernende können das Video zum sicheren Verstehen mehrmals abspielen und mit dem eigenen Verständnis vergleichen.

Frage: Sehen Sie die zu vermittelnde Fähigkeit digital kompetent agieren zu können (z.B. digital, medial gestützte Präsentationen zu erstellen, digitale Gruppenarbeiten zu führen oder das Erstellen von Videos für Schülerinnen und Schlüer) als einen wichtigen Bestandteil des Lehrplans an? Warum?

Ulrike Bußmann: Ja, ich sehe dies als wichtigen Bestandteil. Wenn die SchülerInnen dazu befähigt werden, vielfältige digitale Kompetenzen zu erwerben und diese auch zu vertiefen und möglicher Weise nach eigenen Präferenzen auszubauen, dann statten wir sie für ihre Zukunft aus. Sie verstehen Probleme – nicht nur inhaltlicher Art mit dem jeweiligen Fach – tiefer, sondern sie können auf einen Kompetenzuwachs vorweisen, der ihnen dabei helfen kann und hoffentlich helfen wird im späteren Leben digital kompetent zu agieren.

Analog betrachtet ist dies ja mit allen Dingen, die wir lernen genau das Gleiche: ich eigne mit etwas Neues an, ich probiere es aus, ich verbessere mich, ich optimiere mein Können und werde ein sicherer Anwendender. Hierdurch erreiche ich Sicherheit, die Übung macht quasi den Meister oder die Meisterin. Genau das müssen wir erreichen: die SchülerInnen dürfen nicht nur „User“ sein (d.h. ein Video öffnen, anschauen, schließen), sondern aktive Anwendende solcher digitalen Formate werden, sei es von Videos, (vertonten) Präsentationen, die dadurch zu Erklärvideos werden können, oder durch den gezielten Einsatz digitaler Elemente, die einen Vortrag stützen können.

Frage: Welche Optimierungspotenziale sehen Sie, gerade im Bezug zur Digitalisierung der Lehre an sich?

Ulrike Bußmann: Seit ein paar Jahren spreche ich mich immer wieder dafür aus, dass selbstverständlich in der Ausbildung der StudienreferendarInnen in den Seminaren (der gymnasialen Ausbildung der StudienreferendarInnen in Bayern) im Fach der Pädagogik auch die Medienpädagogik sehr stark verankert sein muss. Jeder Seminarlehrende sollte meiner Meinung nach die StudienreferendarInnen auch in der digitalen Medienpädagogik ausbilden können.

Frage: Liebe Frau Bußmann, Sie sind Teamleiterin im Schulversuch "Digitale Schule 2020". Beschreiben Sie uns doch abschließend bitte einmal kurz, was der Schulversuch genau ist.

Ulrike Bußmann: Auftrag im Schulversuch „Digitale Schule 2020“ war es, Konzepte und Umsetzungsstrategien zu entwickeln, wie digitale Medien in der gesamten Schule gewinnbringend eingesetzt werden können. Im Schuljahr 2020/2021 ging es aufgrund der Pandemie vor allem um die lernwirksame Gestaltung von Online-Unterricht und die Weiterentwicklung der Erziehungspartnerschaft zur Lernpartnerschaft.

Ich darf hier auf die homepage des Schulversuchs verweisen: https://www.bildungspakt-bayern.de/projekte_digitale-schule-2020/Externer Link

Für mich persönlich und für das Gymnasium Veitshöchheim bedeutete das einen Wissenszuwachs und einen ungemein großen Zugewinn im digitalen Lernen, in jeder Hinsicht, in jedem Fach. Schulversuche wie dieser beflügeln nicht nur die beteiligten Schulen. Ich bin sehr stolz zusammen mit allen KollegInnen ein Teil davon gewesen zu sein, wie gesagt, auf der homepage finden Sie sehr viele wichtige Ergebnisse, von denen alle Schulen profitieren können.


Wir bedanken uns sehr herzlich bei Ulrike Bußmann für dieses Interview!

 

Haben Sie weitere Fragen an unsere Interviewpartnerin? 
Nutzen Sie hierfür gern den direkten Kontakt: u.bussmann@gymnasium-veitshoechheim.de.