Promovent/in:
Nils Meier
Betreuung:
Prof. Dr. Andrea Meyer-Fraatz
Beschreibung:
„Literaturnyj kritik“ ist der Name einer Zeitschrift für Literaturtheorie und -kritik, die in der Sowjetunion 1933 gegründet und 1940 verboten wurde. Seit dem Verbot gehen die Ansichten darüber auseinander, ob es sich beim Literaturnyj kritik um eine Zeitschrift gehandelt hat, die mehr oder weniger in Opposition zum Stalinschen Regime stand. Für einen oppositionellen Charakter sprechen die Verfemung und das Verbot der Zeitschrift ab 1939, sowie die Einschätzung einiger Mitarbeiter, die nach Ende der Stalin-Ära angaben, dass die Redaktion gegen offizielle Normen opponiert habe. Diese Auffassung findet im Westen vor allem aufgrund der Darstellung des einstigen Redaktionsmitglieds Georg Lukács Beachtung. Gegen einen oppositionellen Charakter sprechen Forschungsergebnisse, die in der Zeitschrift ein reguläres Instrument der offiziellen Literaturpolitik erkennen, wobei allerdings bislang keine eindeutige Begründung erbracht werden konnte. Insgesamt bleibt das Bild auch innerhalb der neueren Forschung uneinheitlich.
Der Autor stellt ausgehend von den ideellen und historischen Voraussetzungen sowjetischer Literaturpolitik dar, dass und in welchem Sinne Literatur und Literaturtheorie in der damaligen Sowjetunion als politische Angelegenheit behandelt wurden. Der ideelle Gehalt dieser Literaturpolitik wird anhand von schriftlichen Redeaufzeichnungen oder sonstigen Veröffentlichungen einzelner Politiker, sowie anderweitiger offizieller Verlautbarungen betrachtet. Die Analyse wichtiger Texte des Literaturnyj kritik ergibt, welche Position die Zeitschrift in diesem politischen Kontext einnahm.
Im Ergebnis wird der Literaturnyj kritik als eine Zeitschrift bestimmt, der zwar ein kritisches Potential nicht abgesprochen werden kann, deren vermeintlich oppositioneller Charakter aber vor allem Illusion ist. Es wird erklärt, worin das kritische Element bestand, und warum es sich nicht als solches durchsetzte, sondern sich in eine Instrumentalisierung für die offizielle Literaturpolitik einfügte.