
Studierende gestalten Lehre!
Die Frühgeschichte ist geprägt von markanten Umwälzungen und geopolitischen Veränderungen von der Völkerwanderungszeit über den Untergang des Weströmischen Reiches bis hin zur Konsolidierung des fränkischen Reiches. Mit dem Christentum etablierte sich ein neuer Glaube, dessen Ausbreitung die Entwicklungen in der Frühgeschichte maßgeblich prägten. Das Seminar Christianisierung in der Frühgeschichte mit Schwerpunkt auf Bestattung betrachtet im SS 2022 diesen Prozess aus Sicht der Archäolog:innen.
Kurzbeiträge der Studierenden
Im Laufe des Semesters werden hier Kurzbeträge zu jeder Sitzung erscheinen - Impressionen und Aspekte, die den Studierenden besonders wichtig waren.
Die Religion der Slawen
Unter dem Begriff der Slawen verbergen sich verschiedene Bevölkerungsgruppen, die sich vor allem durch einen eigenständigen Sprachzweig zuordnen lassen. Der Ursprung ist durch fehlende Quellenlage nicht abschließend geklärt, wird aber im nördlichen Karpatenland vermutet, von dem aus die Ausbreitung erfolgte. Die slawischen Bevölkerungsgruppen sind nicht nur durch eine ähnliche Sprachwelt miteinander verbunden, sondern auch durch ihre Vorstellungswelt. Die slawische Religion gehört zu der Gruppe der ethnischen Religionen, die unter anderem auch als Naturreligion bezeichnet werden. Der Hauptunterschied zu dem christlichen monotheistischen Glauben ist hier die schriftlose Überlieferung der Glaubensvorstellung sowie der Polytheismus. Weitere Unterschiede finden sich in der Auslebung, die im Falle des slawischen Glaubens an unterschiedlichen Kultstätten erfolgte und in der regionalen Variation.
Als Beispiel für ein Aufeinandertreffen beider Religionen dient die Geschichte des Heiligen Domitian von Millstatt. Laut dieser trifft der Fürst Domitian um das Jahr 800 auf ein „heidnisches“ Heiligtum mit einer Vielzahl an „Götzenstatuen“ am Millstättersee welche er allesamt im See versenkte und damit die Kultstätte vernichtete. An derselben Stelle errichtete er anschließend eine christliche Kirche.
Die „Götzenstatuen“ vom Millstättersee werden in der Archäologie als Idole bezeichnet und stehen stellvertretend für die Wesenheit, den Geist oder die Gottheit, die mit diesem dargestellt werden soll. Die Verehrung von Idolen entwickelte sich unabhängig in den einzelnen slawischen Gebieten. Kultstätten wie die vom Millstätter See waren unter den Slawen weit verbreitet. Es wurden zunächst Orte gewählt, die sehr auffällig oder besonders erschienen, wie auffällige Bäume oder Steine oder Orte, an denen es zu besonderen Ereignissen kam, beispielsweise zum Blitzeinschlag. Tempel kamen erst später dazu und auch nur in begrenzten Gebieten. Neben ihren Gottheiten verehrten die Slawen auch Naturgeister unter anderem Elementargeister, die sich auf die Elemente bezogen (Feuer, Wasser, Erde, Luft) oder Vegetationsdämonen, die in ihrem Glauben die Feldpflanzen und Waldvegetation belebten.
Seminarsitzung vom 08.07.2022; Autorin: anonym

Fibeln als Quellen der Christianisierung der Sachsen in der Karolingerzeit
Den Sachsenkriege unter Karl dem Großen zwischen 772 und 804 folgte eine grundlegende Umstrukturierung der eroberten norddeutschen Gebiete. Diese betraf nicht nur die Politik und Verwaltung, sondern auch die Religion. Vor allem die mit der Eroberung einhergehende Christianisierung der Sachsen spiegelt sich in der materiellen Kultur wider, die so zum Zeugnis dieses Konversionsprozesses wird.
Besonders gut lässt sich dieser Prozess an Fibeln erkennen, die als Trachtbestandteile Rückschlüsse auf die allgemeinen Lebensumstände ermöglichen. Getragen wurden sie in der Karolingerzeit vor allem von Frauen höheren Standes, die mit ihnen ihre Kleidung verschlossen. Eine Besonderheit stellen hierbei sogenannte echte Münzfibeln dar, die aus umgearbeiteten Reichsdenaren hergestellt wurden. Die auf die Münzen geprägte Symbolik eines stilisierten Tempels knüpft an die Tradition römischer Kaiser an, wobei die Umschrift „Christiana religio“ das Christentum als Staatsreligion manifestiert. Auch die Taubenfibeln sind ein nennenswerte Fibeltyp, der in Form einer Taube mit Kreuz auf dem Rücken die christliche Symbolik der Taufe und des Heiligen Geistes darstellt. Aufgrund ihres seltenen Vorkommens stehen sie wohl in Verbindung mit den neuen christlichen Eliten, die ihren gesellschaftlichen Status festigen wollten. Eine weitere Fibelart sind die Christus- bzw. Heiligenfibeln, die stilisierte Köpfe mit Heiligenscheinen zeigen und meist aus Buntmetall bestehen. Ihr Ursprung befindet sich im Bereich von Mosel, Rhein und Main, dem Ausgangsgebiet der Mission der Sachsen.
Die Gemeinsamkeit aller dieser Fibelarten ist, dass sie nur eine geringe Gebrauchsdauer von ungefähr einer Generation haben und als Bekenntnisse der Individuen zum neuen christlichen Glauben zu deuten sind. Sie zeigen unverwechselbar christliche Symbole, die die Umstrukturierung der Gesellschaft Norddeutschlands durch die neue politische Organisation und religiöse Ideentransfers verdeutlichen.
Seminarsitzung vom 24.06.2022; Autor: Joshua Preetz

Die Umdeutung altbekannter Symboliken durch den Einfluss des Christentums
Ein interessantes Beispiel, dass eine Umdeutung der Symbolik durch das neuartig in der Antike aufkommende Christentum erfuhr, ist der Greif. Der Körper dieses mythischen Wesens besteht aus einem Löwen mit Flügeln, während der Kopf einen Adler darstellt.
Ursprünglich ist das Greifenmotiv seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. bekannt und wurde erstmals von den Sumerern, Assyrern sowie in Ägypten verwendet. Wie sich zeigt, gelangte dieses Symbol im Laufe der Zeit in die unterschiedlichsten Kulturgruppen. Die griechische Kunst und sowie der römische Bilderkanon übernahmen es ebenfalls, ehe es in das Christum gelangte.
Anfänglich wurde unter dem Motiv ein Macht- und Kraftsymbol verstanden, dass Herrscher und Götter begleitete und deren Schätze beschützte. Doch fügte der griechische wie auch der römische Kulturkreis neue Bedeutungen hinzu. Die Griechen erkannten eine Todessymbolik, während die Römer den Greif auch als Grabwächter verstanden. Das Motiv ging auch in das frühe Christentum ein. Hier übernahm der Greif ebenfalls hauptsächlich eine Wächterfunktion für Kreuze, Lebensbäume usw. Zusätzlich erhielt es zu byzantinischer Zeit auch neue Attribute wie Unsterblichkeit, Vollkommenheit sowie Doppelnatur. Dies zeigt die unterschiedlichen Einflüsse der verschiedenen kulturellen Gebiete sowie die veränderte Denkweise durch das neuaufkommende Christentum.
Seminarsitzung vom 17.06.2022; Autor: Frederic Rahlf

Die „angelsächsische Mission“ um 700 – Wer waren die Missionare aus dem Gebiet des heutigen Englands?
Die Angehörigen des geistlichen Standes, die als Missionare aus Angelsachsen ins Frankenreich zogen, waren meist im jugendlichen Alter und überwiegend Männer, vereinzelt Frauen. Sie haben sich vor allem aus religiösen Gründen, nicht aus wirtschaftlichen oder politischen, zum Ziel gesetzt die ‚heidnische‘ Bevölkerung im nördlichen und östlichen Frankenreich zu missionieren und ihre Bildung zu verbessern.
Die männlichen Missionare selbst verfassten eigene theologische und wissenschaftliche Abhandlungen, Lebensbeschreibungen ihrer Heiligen und Briefe. Die Nonnen dagegen schrieben meist Bücher (wie Abirhilt in Kissingen) und in Einzelfällen Biografien ihrer Leute (wie Hugeburc in Heidenheim zu Willibald und Wunibald).
Dass sich die Mission auf dem Kontinent dabei nicht immer einfach gestaltete, zeigen erhaltene Briefe des Bonifatius und Lullus. Die überlieferten Eindrücke in ihre Lebensumstände zeugen von Entbehrungen, Einsamkeit und oft auch von Krankheit (Depressionen). Bevor Papst Gregor ll. Bonifatius die bischöfliche Vollmacht erteilte, bat dieser zunächst in vielen Schreiben um Gegenstände, die ihm fehlten. Schlussendlich zeigt die letzte Reise des Erzbischof Bonifatius nach Friesland, bei der er wohl von Räubern erschlagen wurde, die Härte dieses religiösen Vermächtnisses († 754). Die Christianisierung stieß häufig auf Widerstände, besonders bei dem Stamm der Friesen und denen ihnen zugehörigen Altsachsen.
Heute können wir versuchen die geographischen Wege der Missionare durch die Verteilung von insular (angelsächsisch) geprägten Kleinfunden zu rekonstruieren. Neben Gebrauchsgegenständen wie Schreibgriffeln oder Bronzekämmen, finden sich ebenfalls Schmuckstücke, die entweder als Kreuz gestaltet waren oder mit einem gleicharmigen Kreuz verziert waren und von den Frauen und Mädchen vermutlich als Symbol ihres Glaubens getragen wurden.
Seminarsitzung vom 10.06.2022; Autorin: Isabelle Sautner

"Heidnischer" Opferkult und Tatmission im Frühmittelalter
Im Zuge der Mission in Mitteleuropa stießen die Christen auf Religionen, die ihren Göttern noch materiell, in Form von Opfern, huldigten. Diese religiöse Praxis stand im Kontrast zu den Vorstellungen des Christentums, das sich bereits seit der Antike von materiellen Blutopfern ab- und dem geistigen Opfer zugewandt hatte. Dies führte zur Kriminalisierung "heidnischer" Opferrituale, sodass auf Blut und Brandopfer teils sogar die Todesstrafe ausgerufen wurde.
Jedoch war die Idee des Opfers, auch die des Menschenopfers, tief in den vorchristlichen Religionen verankert. Einzelne Gruppen hatten dabei unterschiedliche Vorgehensweisen, so berichtet der heilige Wulfram wie die Friesen ihre Opfer durch das Los bestimmten. Anderenorts ist beschrieben wie die Dänen jedes Jahr Menschen und Tiere bei Roskilde opferten und die schwedischen Stämme ihre Opfer in einem Hain am Tempel von Altuppsala aufhängten. In Folge dessen wurde es zur vorherrschenden Taktik vieler Missionare heidnische Opferheiligtümer zu zerstören und Opferschätze zu plündern.
So stürzte Karl der Große († 814) im Jahr 771 das Heiligtum Irminsul und Bonifatius ließ 723 die Donar-Eiche von Geismar fällen. Dieses radikale Vorgehen sollte nicht nur die Kultplätze zerstören, sondern auch die Macht des christlichen Gottes über die „Heidengötter“ beweisen. Es gab jedoch auch Versuche, friedlicher mit den "heidnischen" Religionen umzugehen, ihre Kultorte im Angesicht des Christentums umzuwandeln, oder die heidnischen Götter mit kleineren Altären in christlichen Heiligtümern zu dulden.
Seminarsitzung vom 03.06.2022; Autorin: Maxi Schmidt

Bestattungen weltlicher Herrschaftsträger – Ein Wandel von Grabhügeln zu Kirchengräbern
Kaum ein anderer Aspekt wurde von der einwirkenden Christianisierung so sehr beeinflusst wie die Bestattungsform. Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelten sich, vor allem im fränkischen Herrschaftsraum, Grabhügel mit Beigaben in Zusammenhang mit den lokalen Glaubensvorstellungen zu beigabenlosen christlich geprägten Bestattungen in oder um Kirchenbauten.
Das Grab von Childerich I. (†–481/482 n. Chr.) dem angeblichen Sohn des legendären Merowechs, zeichnet sich noch durch einen Grabhügel von 25 bis 30 Meter Durchmesser aus, mit Beigaben im polychromen Metallstil, die charakteristisch für die Germanen der Völkerwanderungszeit sind. Bereits schon mit seinen Sohn Chlodwig I. († 511 n. Chr.) änderte sich dies schlagartig, indem er in der Kirche der heiligen Apostel, später als Sankt Genevieve bekannt, in einem Sarkophag ohne Beigaben auf ebener Erde beigesetzt wurde. Die sogenannten merowingischen Begräbniskirchen, wie Sainte-Croix-et-Saint-Vincent, heute die Kirche Saint-Germain-des-Prés, die von Childebert I. († 558 n. Chr.) errichtet und in der er beigesetzt wurde, sind kennzeichnend für die Verfestigung des Christentums in der Dynastie der Merowinger. Die herausragendste Bedeutung nimmt dabei wohl die Begräbniskirche von Saint Denis als Grablege der späteren französischen Könige ein.
Grundsätzlich werden Laiengrablegen innerhalb der Kirchen seltener und verlagern sich zusehends auf den Kirchhof. Gründe hierfür sind unter anderem Einwendungen des Klerus, wie im Konzil von Braga (561 n. Chr.) mit dem Verbot der Kirchenbestattungen deutlich wird.
Seminarsitzung vom 27.05.2022; Autor: Nils Warmbier

Leben und Tod an einem Ort – die Entwicklung zum mittelalterlichen Kirchhof
Die Grab- und Bestattungssitten unterliegen in der Frühgeschichte einem großen Wandel. Von den Gräberfeldern mit repräsentativen Bauten und Grabtafeln entlang der Straßen im römischen Reich über die typischen Reihengräberfelder der Merowingerzeit bis hin zu den karolingerzeitlichen Kirchhofbestattungen lässt sich ein großer Facettenreichtum fassen.
Vereinzelt sind bei den Merowingern (5.Jh.-751 n. Chr.) neben den dominierenden Reihengräberfeldern bereits vereinzelt Gräber im Zusammenhang mit Bischofskirchen zu finden. Die Kirchhofbestattung, d.h. innerhalb eines umzäunten oder ummauerten Bereiches um die Kirche, etabliert sich allerdings erst in der Zeit der Karolinger (751-911 n. Chr.). Bis zur Reformation und der damit einhergehenden Auflösung des Reliquienglaubens bleibt die Kirchhofbestattung die dominierende Bestattungsform. Doch der Kirchhof des frühen Mittelalters diente nicht nur als Beisetzungsstätte, sondern war vielmehr ein Ort für alle alltäglichen weltlichen und religiösen Aktivitäten. So diente er als Ort des Handels, es wurden Predigten und Trauungen auf ihm gehalten, Armenspeisung wurde vorgenommen, Kranke suchten bei den Gräbern Genesung und die Gemeinde nutzte den Kirchhof als allgemeinen Versammlungsort. Dies alles reihte sich nahtlos ein in die Nutzung als Bestattungsplatz.
Der mittelalterliche Kirchhof war somit Zentrum des weltlichen und sakralen Lebens. Die in einigen ländlichen Regionen fortwährende Benutzung der Kirchhöfe steht damit in der langen Tradition frühmittelalterlicher christlicher Bestattungsriten.
Seminarsitzung vom 20.05.2022; Autor: Joshua Hammann
Frühe Christen oder nicht? Archäologische Quellenkritik
Die genauen Wege, auf denen sich das Christentum ausbreitete sind heute oft nicht eindeutig nachvollziehbar. Auch die hierfür informativste archäologische Quellengattung der Gräber kann häufig nicht eindeutig beantworten, ob es sich bei einer bestattenden Gemeinschaft tatsächlich bereits um frühe Christen handelte.
Hier präsentiert sich bereits die erste grundlegende Interpretationshürde mit der Frage, in welchem Maße die Art der Bestattung von der Glaubenswelt geformt wird. So wurde beispielhaft der Übergang von der Brand- zur Körperbestattungssitte oft als Resultat des sich ausbreitenden Christentums gewertet. Betrachtet man nun aber, wie oft sich diese beiden Bräuche ohne drastische Glaubensänderungen im Laufe der Geschichte bereits abwechselten und parallel existierten, scheint der Bestattungsritus als Indikator früher Christen deutlich an Wert einzubüßen.
Am besten wird diese Problematik wohl durch unsere heutigen Urnenbestattungen verdeutlicht, die in aller Regel nicht auf religiösen Motiven basieren. Ganz ähnlich verhält es sich mit der charakteristischen Ost-West-Ausrichtung der Gräber, deren Deutung als Zeugnis der Christianisierung umstritten ist. Auch in Hinblick auf die Beigabenlosigkeit und den einfachen Grabbau christlicher Gräber kann man keine Einheitlichkeit voraussetzen. Entgegen christlicher Jenseitsvorstellungen wurden geistliche und weltliche Würdenträger, Bischöfe und Könige, zur Verdeutlichung ihres gesellschaftlichen Status mit ihren Insignien beigesetzt.
Aussagen über die Glaubenswelt vergangener Gemeinschaften gestalten sich oft recht vage, zumal man natürlich auch nicht selbstredend von einer sich im Fundmaterial niederschlagenden gelebten Religion ausgehen kann.
Lesetipp: Sebastian Brather, Körperbestattungen und Christianisierung bei den nordwestlichen Slawen. Zum gegenwärtigen Stand der Debatte. In: J. Drauschke/F. Daim (Hrsg.), Lebenswelten zwischen Archäologie und Geschichte: Festschrift für Falko Daim zu seinem 65. Geburtstag / Teil 1 (Mainz 2018) 83-100.
Seminarsitzung vom 20.05.2022; Autorin: Laura Meschner
Religion und Gewalt unter Karl den Großen
Die Christianisierung in Mitteleuropa, vor allem die der Sachsen, vollzog sich nicht ohne gewaltvolle Auseinandersetzungen. Karl der Große kämpfte seit 772 gegen die Sachsen und entschied im Jahr 777 über deren Missionierung, die sogenannte „Mission durch das Schwert“, wodurch er geschickt Macht- und Religionspolitik miteinander verband.
Die Sachsen hielten vorrangig an paganen Traditionen und Glaubensvorstellungen fest. Mit den Sachsenkriegen Karls des Großen sollte sich dies ändern. Um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, gründete Karl der Große, wie auch nachfolgende Herrscher, Missionsbistümer. Diese waren beispielsweise in Paderborn, Magdeburg oder Riga zu finden. In diesen Einrichtungen wurden unter anderem Missionare ausgebildet. Bei den Sachsen stieß die Missionierung und Christianisierung jedoch auf großen Widerstand, was dazu führte, dass immer gewaltvollere Mittel zum Einsatz kamen. So wurde beispielsweise die Todesstrafe verhängt: bei Verstoß gegen die Fastenregeln oder der Einäscherung der Verstorbenen, d.h. bei Ausübung nicht-christlichen Bestattungsbrauchtums. Umgehen konnte man dies, wenn man sich einem Priester in der Beichte anvertraute. Gesetze und Anordnungen dieser Art verstärkten die Furcht in der Bevölkerung und verdeutlichten die Machtstellung der Priester in der Gesellschaftsordnung. Je weiter die Integration der neuen Gebiete ins Fränkische Reich fortschritt, desto milder wurden die auferlegten Strafen. Einen großen Anteil daran hatte sicherlich der Glaubenswechsel des sächsischen Herzogs Widukind, der sich 785, mit Karl dem Großen als Taufpaten, zum Christentum bekannte.
Funde aus dieser Zeit sind unter anderem sogenannte Reliquienkästen, welche von Bischöfen zum Transport liturgischer Geräte verwendet wurden. Ein Beispiel hierfür ist der Werdener Reliquienkasten, welcher vom heiligen Liudger, ein Kritiker der gewaltvollen Missionsstrategie Karl des Großen, von seiner Pilgerreise nach Rom mitgebracht wurde.
Seminarsitzung vom 06.05.2022; Autorin: Valene Eisenschmidt
Die Anfänge des Christentums in Rom, Irland und Britannien
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, das Christentum als anerkannte Religion zu etablieren, ebnete der römische Kaiser Konstantin der Große den Weg. Er garantierte die Religionsfreiheit im Reich und förderte mit dem Bau wichtiger Kirchen (z.B. die Grabeskirche in Jerusalem; Basilika des späteren Petersdoms in Rom) aktiv das Christentum. Endgültig gefestigt wurde es durch den oströmischen Kaiser Theodosius I., der das Christentum im Jahr 380 zur neuen Staatsreligion ernannte. Damit wurde das römische Reich zum Zentrum des christlichen Glaubens.
Während die durch Rom gelenkte Mission im Jahr 597 Britannien erreichte, verbreitete sich das Christentum in Irland schon früher. Der heute vor allem durch den international gefeierten St. Patrick‘s Day bekannte Nationalheilige Irlands soll hier, Mitte des 5. Jahrhunderts, aus persönlicher Berufung Klöster, Schulen und Kirchen in ganz Irland errichtet haben. Zuvor war er laut Legende als Sklave aus Irland nach England geflohen und schließlich nach einer Priesterausbildung zurückgekehrt. Aus den Klöstern heraus verbreitete sich die Religion auf der gesamten Insel und bis nach Schottland. Während parallel dazu eine Missionierung Südenglands durch Rom erfolgte.
Artefakte aus dieser Zeit zeigen eine insulare Ausprägung der christlichen Kultur. Beispiele hierfür finden sich in den keltisch anmutenden Steinkreuzen Irlands und Schottlands oder auch in den reich verzierten Handschriften, wie der berühmten „Durham Cassiodorus“ (8. Jh., Nordengland), welche in ihrer Darstellung die Vermischung von spätantiker Kunst und angelsächsischer Flechtbandornamentik aufzeigt. Ursprünglich „heidnische“ Symbole wurden in die Bilderwelt des neuen Glaubens aufgenommen und ebneten den Weg zur breiten Akzeptanz des Christentums.
Seminarsitzung vom 29.04.2022; Autorin: anonym

"Heidnische" Kunst im Zeichen des Kreuzes
Die frühgeschichtliche Christianisierung Mitteleuropas ist keinesfalls ein Einzelereignis, sondern Ergebnis verschiedener Missionsphasen und ein facettenreicher Prozess, der Europa bis heute prägt.
Kaum eine archäologische Fundkategorie belegt dies so eindrücklich wie die sogenannten Goldblattkreuze. Zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert n. Chr. treten diese filigran gearbeiteten Kleidungsbesätze auf den Gräberfeldern der ehemals „heidnischen“ Langobarden, Alamannen und Bajuwaren auf. Dass diese aber weder über Nacht zu Christen wurden, noch von heute auf morgen ihre germanische Kultur gänzlich ablegen, veranschaulichen die Goldblattkreuze. In ihnen vereinten sie das zweifelsohne christliche Symbol mit ihrem eigenen Kunststil, dem sogenannten Tierstil. In Form feinster Punzierungen und Prägungen sind in die goldenen Kreuze ineinander verschlungene, geometrische Tier- und Menschengestalten eingearbeitet, die seit dem 5. Jahrhundert von Skandinavien bis Süddeutschland bis heute sinnbildlich mit germanischer Kunst verknüpft sind. Derartige, über Mitteleuropa hinweg verblüffend einheitlich gestaltete, Bilder finden sich auf skandinavischen Runensteinen ebenso wie auf den Chorschranken früher Kirchen. Die Verschmelzung von Glaubensvorstellungen zeigt sich ebenso eindrücklich auf einem Thorshammer aus dem Seehandelsplatz Haithabu: in diesen war ein christliches Kreuz eingearbeitet worden (10. Jh.).
Derartige Funde belegen, dass im Frühmittelalter Christentum und germanischer Polytheismus keinesfalls Gegensätze darstellen mussten, sondern christliche Missionare sich hervorragend darauf verstanden die bestehenden Glaubensvorstellungen mit der christlichen zu verknüpfen und auf diesen aufzubauen, was langfristig dazu beitrug, dass sich das Christentum als vorherrschende Religion in Europa durchsetzen konnte.
Seminarsitzung vom 22.04.2022; Autor: Philipp Brügge